Arbeitsgruppe Klinische Psychopharmakologie
Die Forschungsgruppe „Klinische Psychopharmakologie“ beschäftigt sich als Untergruppe der AG „Klinische Forschung“ mit Pharmakoepidemiologie, der kritischen Bewertung von pharmakologischen Strategien und der Arzneimitteltherapiesicherheit, wobei sie eng mit dem Institut für Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie (AMSP) in Hannover zusammenarbeitet.
Kontakt
Die Forschungsgruppe ist mit Mitarbeitenden der Fachrichtungen Psychiatrie, Pharmakologie und Biologie interdisziplinär aufgestellt. Methodische Expertise besteht vor allem im Bereich der Pharmakovigilanz. Mit ihren Arbeiten möchte sie eine rationale leitliniengestützte Pharmakotherapie in der Psychiatrie und Psychotherapie frei von Lobbyinteressen unterstützen.
Aktuelle Projekte
Gewichtszunahme durch Psychopharmaka bei stationären Patientinnen und Patienten
Gewichtszunahme ist eine häufige unerwünschte Arzneimittelwirkung von verschiedenen Psychopharmaka, die potenziell weitreichende Folgen (z. B. Verringerung der Lebensqualität, metabolisches Syndrom, Diabetes, verringerte Compliance) für die Betroffenen haben kann. Um die für den klinisch tätigen Arzt wichtigen Fragen nach Häufigkeit, Ausmaß und Risikofaktoren dieser höchst relevanten unerwünschten Arzneimittelwirkung zu beantworten, werden etwa 450 Einzelfallmeldungen ausgeprägter Gewichtszunahmen in der AMSP Datenbank nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewertet.
Das Projekt bedarf keiner Förderung und wird Ende 2019 abgeschlossen sein.
Psychopharmakamedikation bei Anpassungsstörungen
Anpassungsstörungen sind vorrübergehende Veränderungen im Verhalten oder psychischen Erleben, ausgelöst durch einen klar identifizierbaren Belastungsfaktor (zum Beispiel bei Todesfällen, schwerer Erkrankung, Trennung). Es gibt bisher kaum konkrete Empfehlungen zur pharmakologischen Behandlung von Anpassungsstörungen. Eine Auswertung der Stichtagsdaten der AMSP-Datenbank kann einen Überblick über die Verordnungspraxis bei stationären Patientinnen und Patienten mit Anpassungsstörungen geben. Hieraus können Impulse für weiterführende Forschungsfragen dieser für den klinisch tätigen Arzt nahezu jeder Fachrichtung relevanten Diagnose abgeleitet werden.
Das Projekt bedarf keiner Förderung und wird Ende 2019 abgeschlossen sein.
Reanalyse der NeSSY-Daten
Die Rüdersdorfer Hochschulklinik hat sich an dem Forschungsprojekt Neuroleptic Strategy Study (NeSSy) beteiligt. Diese Studie, die von der Universität Bremen durchgeführt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert wurde, war die erste größere deutsche Studie zur Wirkweise von Antipsychotika bei Schizophrenie, die industrieunabhängig durchgeführt wurde.
Die Hauptergebnisse der Studie sind veröffentlicht: Gründer, G., Heinze, M. et al. The Lancet Psychiatry, Aug 2016 3(8):717-29. Bei der vertieften Analyse einzelner Einflussvariablen fiel auf, dass bei Frauen der Effekt von Antipsychotika der zweiten Generation zu profitieren, weniger deutlich ausfiel als bei Männern. Im laufenden Projekt reanalysieren wir die Studiendaten, um dies genauer zu beschreiben und mögliche vermittelnde Variablen aufzufinden.
Das Projekt bedarf keiner Förderung und wird Ende 2019 abgeschlossen sein.
Abgeschlossene Projekte
Malignes neuroleptische Syndrom
Die AMSP-Datenbank wurde hinsichtlich des Auftretens eines Malignen Neuroleptischen Syndroms (MNS) untersucht. Diese seltene unerwünschte Arzneimittelwirkung, welche in ihrer Vollausprägung mit Fieber, Bewusstseinsstörungen, extrapyramidal-motorischen Störungen, Creatinkinase-erhöhung und einer vegetativen Entgleisung einhergehen kann, kann für die Patientin oder den Patienten eine Lebensgefahr bedeuten und muss intensivmedizinisch therapiert werden. Es zeigte sich, dass bei den – in dieser Hinsicht besser verträglichen – antipsychotisch wirksamen Medikamenten der 2. Generation ein MNS einen milderen Verlauf nehmen kann. Dieser atypische Verlauf birgt jedoch die Gefahr, dass diese unerwünschte Arzneimittelwirkung übersehen werden kann.
Das Projekt wurde nicht extern gefördert und Ende 2018 abgeschlossen.
Priapismus
Hier wurde die AMSP Datenbank hinsichtlich des Auftretens eines Priapismus als Nebenwirkung einer Medikation mit verschiedenen Antipsychotika oder dem Antidepressivum Trazodon analysiert. Psychopharmaka können sexuelle Funktionsstörungen auslösen, welche in der Therapieevaluation in der klinischen Routine oft nicht ausreichend berichtet und nachgefragt werden. Priapismus ist eine lang andauernde, oft schmerzhafte Dauererektion und stellt einen urologischen Notfall mit entsprechend invasiver Therapie und möglichen schwerwiegenden Folgen für die Patienten dar. Die Analyse kann einen Beitrag zur Sensibilisierung für diese seltene Nebenwirkung mit routinierter Abfrage von Frühsymptomen in der Behandlung von Patienten leisten.
Das Projekt wurde nicht extern gefördert und Ende 2018 abgeschlossen.
Veröffentlichungen
2018
- Greiner T., Schneider M., Regente J., Toto S., Bleich S., Grohmann R., Heinze M. (2018): Priapism induced by various psychotropics: A case series. The World Journal of Biological Psychiatry. Doi: 10.1080/15622975.2018.1520396.
- Schneider M., Regente J., Greiner T., Lensky S., Bleich S., Toto S., Grohmann R., Stübner S., Heinze M. (2018): Neuroleptic malignant syndrome: evaluation of drug safety data from the AMSP program during 1993-2015. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience. Doi: 10.1007/s00406-018-0959-2
- Greiner T., Schneider M., Degner D., Toto S., Bleich S., Grohmann R., Heinze M. (2018): Myoklonien unter Polypharmazie – Kasuistik aus dem Projekt “Arzneimittel-sicherheit in der Psychiatrie” e.V. (AMSP). Psychopharmakotherapie 2018;25:208-10.
- Schneider M., Greiner T., Heinze M., Degner D., Grohmann R., Toto S. (2018): Blutungsneigungen unter Escitalopram - Kasuistik aus dem Projekt 'Arzneimittel-sicherheit in der Psychiatrie' e.V (AMSP). Psychopharmakotherapie, 25. Jahrgang, Heft 1 Januar/Februar 2018.
2016
- Gründer G*, Heinze M* (* = geteilte Erstautorschaft), Cordes J, Mühlbauer B, Juckel G, Schulz C, Rüther E, Timm J; NeSSy Study Group. Effects of first-generation antipsychotics versus second-generation antipsychotics on quality of life in schizophrenia: a double-blind, randomised study. Lancet Psychiatry. 2016 Aug; 3(8):717-729. doi: 10.1016/S2215-0366(16)00085-7. Epub 2016 Jun 2. PMID: 27265548.
- Schulz C, Timm J, Cordes J, Gründer G, Mühlbauer B, Rüther E, Heinze M. Patient-oriented randomisation: A new trial design applied in the Neuroleptic Strategy Study. Clin Trials. 2016 Jun; 13(3):251-9. doi: 10.1177/1740774516639910. Epub 2016 Mar 25. PMID: 27016729.
- Schulz C, Timm J, Cordes J, Gründer G, Mühlbauer B, Rüther E, Heinze M. Response from the authors. Clin Trials. 2016 Jun; 13(3):262-3. doi: 10.1177/1740774516639933. Epub 2016 Mar 25. PMID: 27016731.